Schulden, Staatsschulden, Kreditgeld

Geld und Schulden

Geld besitzt an sich keinen eigenen Wert, sondern beschreibt das Verhältnis von Dingen die Wert besitzen. Schulden werden in Geldeinheiten ausgedrückt und beschreiben das Verhältnis zwischen den einzelnen Wirtschaftsakteuren. Die Wirtschaft braucht die Gesellschaft, weil deren Mitglieder durch den Einsatz ihrer Zeit, funktionierende Wirtschaftsabläufe sicherstellen. Die Gesellschaft wiederum, benötigt die Wirtschaft, damit deren Mitgliedern, der Konsum ermöglicht wird, den sie zum Überleben, oder zur Identitätserzeugung brauchen. Schulden und Geld stellen hierbei ein Versprechen und Gegenversprechen dar, Zeit zu investieren bzw. Konsum zu ermöglichen. Wird ein Kredit vergeben, entstehen gleichzeitig Geld und Schulden. Durch das erzeugte Geld wird einer Person zusätzlicher Konsum ermöglicht, während die erzeugte Schuld eine Person verpflichtet, mehr Zeit für die Produktion dieses Konsums zu investieren.

Funktion und Wahrnehmung von Schulden

Durch Schulden entsteht kein natürlicher Mangel an Gütern, weder in der Gegenwart, noch in der Zukunft. Nachfolgende Generationen müssen nicht aufgrund unserer Schulden auf Wohlstand verzichten, da Wohlstand stets vom aktuellen Produktionsniveau abhängt. Eine Gesellschaft kann keine Produkte konsumieren, die erst in der Zukunft hergestellt werden. Der Nachhaltigkeitsgedanke ist eher auf die Grundlage der menschlichen Produktivität zu legen, der Natur. Die Funktion von Schulden ist vielmehr bei der Verteilung des erzeugten Wohlstands anzusiedeln, da Gläubiger einen Anspruch auf Teile der erstellten Leistungen ihrer Schuldner erheben. Gefahren durch eine hohe Staatsverschuldung entstehen erst, wenn die Gesellschaft nicht länger bereit, oder in der Lage ist,
Zeit und Geld
mehr Zeit für die Auslastung der Produktionskapazitäten zu investieren (Zeit ist für Menschen von Natur aus knapp). Als Folge sinkt das Vertrauen der Bevölkerung in die Staatswährung und es bricht Panik aus, die zum Zusammenbruch der Wirtschaft und Aufständen führen kann. Lösungen für diese Art von Krisen waren historisch betrachtet, die Streichung der Schulden durch Enteignung, oder imperialistische Eroberungen anderer Länder. Im einen Fall wird der zukünftige Anspruch auf Konsum reduziert, wodurch weniger Zeit von der Wirtschaft beansprucht wird, im anderen Fall, wird die Zeit von Menschen außerhalb der Gesellschaft (Sklaven, Menschen in anderen Ländern) benutzt, um die Produktion aufrechtzuerhalten.

Staatsverschuldung

Nehmen wir an eine Gruppe besteht aus den vier Personen Tim, Tom, Ken und Jan. Tim schuldet Tom 100 Euro. Tom schuldet Ken 100 Euro. Ken schuldet Jan 100 Euro. Und Jan schuldet Tim 100 Euro. Wieviele Schulden hat die Gruppe als Ganzes?

Spontan fallen einem zwei Antworten auf diese Frage ein. Die einen werden sagen 400 Euro, die anderen 0 Euro. Wer an 400 Euro Gesamtschulden denkt begeht den Fehler, nur die Sollseite der Konten zu beachten und die Forderungen die auf der Habenseite verbucht sind zu ignorieren. Dieses Beispiel stellt eine Analogie zur Wahrnehmung von Staatsschulden dar, die in der Öffentlichkeit sehr weit verbreitet ist. Wir befinden uns in einem offenen Wirtschaftssystem in dem die einzelnen Bereiche Privatsektor, Staatssektor und Ausland gemeinschaftlich betracht werden müssen.

Staatsektor, Privatsektor und Außenhandelsbilanz sollten im Gleichgewicht sein um Krisen zu vermeiden wie  folgende Gleichung der volkswirtschaftlichen Saldenmechanik veranschaulicht:
(G-T)=(S-I)-(X-M)
hierbei steht G für die staatlichen Konsum- und Investitionsausgaben, T für die Steuern, S für die Ersparnis,  I für die privaten Investitionen,  X für die Exporte und M für die Importe.

Wenn Privatleute und Unternehmen sparen und die rechte Seite der Gleichung einen Überschuss ausweist, wie aktuell in Deutschland, kann und sollte der Staat Schulden machen um dies auszugleichen.
Dabei ersetzt der Staat die privaten Investionsausgaben falls diese aufgrund hoher Sparquoten zu gering sind.

Befürworer einer strikten staatlichen Sparpolitik halten dagegen und beziehen sich oft auf eine Studie von Reinhart/Rogoff. Diese Studie kam zu dem Ergebnis  dass ein Schuldenstand ab 90% des BIP nicht mehr tragbar ist und Wirtschaftswachstum massiv behindert. Andere Studien kamen jedoch auf Basis der gleichen Datensätze zu abweichenden Ergebnissen (vgl. Égert). Es zeigt sich vielmehr dass kein exakter Schuldenstand genannt werden kann der einen hohen negativen Effekt auf das Wirtschaftswachstum hat, da dieses auch von vielen anderen Faktoren abhängt.

Staatsschulden sind nicht immer schlecht, ebenso wenig wie eine Schwarze Null immer gut sein muss. Man sollte im Hinterkopf haben dass zu den Staatsschulden Gegenwerte vorhanden sind, wie Infrastruktur oder Privatvermögen. Außerdem entsteht Geld erst bei der Aufnahme von Schulden, wodurch Staatsschulden langfristig durch Sparmaßnahmen nicht abgebaut werden können.
Eine hohe Staatsverschuldung stellt gewiss eine Bedrohung für die Stabilität der Weltwirtschaft dar. Schulden sind aber im Gegensatz zu ökologischen Knappheiten kurzfristig reversibel. Abhängig vom politischen Willen könnten kurzfristig politische Lösungen für das Schuldenproblem gefunden werden. Ein Lösungsvorschlag ist bspw. die Kopplung der Zinsen für Staatsanleihen an das BIP.

Verantwortlich: Ioannis Alexiadis


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Literatur:

Égert, Balázs: The 90% public debt threshold: the rise and fall of a stylized fact. Applied Economics 47, 3756-3770, 2015.

Égert, Balázs: Public debt, economic growth and nonlinear effects: myth or reality? Journal of Macroeconomics 43, S. 226-238, 2015.

Barty-King, Hugh: The Worst Poverty: A history of debt and debtors. Budding Books, 1997.

Graeber, David: Schulden: die ersten 5000 Jahre. Klett-Cotta, 2012.

Grunert, Günther: Schäubles „schwarze Null“ auf dem Weg in die Geschichtsbücher? – Über Sinn und Zweck staatlicher Budgetdefizite; NachDenkSeiten, 2015.

Rogoff, Kenneth; Reinhart, Carmen: Growth in a Time of Debt. American Economic Review 100.2, 573-8, 2010.

Yglesias, Matthew: Don't Repay the National Debt; Slate Magazine, 2013.

Schulden
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